Solidarität ohne Israel?

Stellungnahme der DIG Leipzig zu den Vorfällen auf der #unteilbar-Demonstration am 6. Juli 2019

Wie angekündigt haben wir, die Deutsch-Israelische Gesellschaft Leipzig, am 6. Juli an der Leipziger #unteilbar-Demonstration „Solidarität statt Ausgrenzung“ teilgenommen. Dabei kam es zu Zwischenfällen mit Organisatoren der Versammlung. An unserem Treffpunkt traten drei Ordner an uns heran und verkündeten, dass es im Bündnis einen Konsens gegen Nationalfahnen gebe. Es blieben uns daher zwei Optionen: Entweder die Israelfahnen einzupacken oder den Schluss der Demonstration zu bilden. Nachdem wir dem nicht beipflichteten, gab uns einer der Ordner zu verstehen, dass wir in jedem Fall nichts im vorderen Teil der Demonstration zu suchen hätten. Die Behauptung von #unteilbar, es wäre ausdrücklich kein Verbot ausgesprochen worden, ist nicht korrekt.

Offenbar gehörten Israelfahnen nicht zur gewünschten Außenwirkung der #unteilbar-Demo in Leipzig. Das ist bemerkenswert nach den antisemitischen Vorfällen, die bei der letzten Demo am 13. Oktober 2018 in Berlin für Aufsehen sorgten. Damals hetzten Anhänger der palästinensischen Terrororganisation PFLP und der antisemitischen Boykottkampagne BDS gegen Israel. [1] Wir hatten erwartet, dass #unteilbar in der Zwischenzeit angemessene Schlüsse gezogen hat. Der verkündete Konsens, der sich gegen die Nationalfahne des jüdischen Staates richtete, hat uns entsetzt. Ob der Kurdistan-Solidaritäts-Block, der einige Fahnen der Demokratischen Föderation Nordsyrien (DFNS) und ihrer Streitkräfte zeigte, ebenfalls zurechtgewiesen wurde, ist uns nicht bekannt. Wir hoffen es nicht.
Die ablehnende Haltung gegen Israelflaggen auf der Demonstration kam fast ausschließlich vonseiten der Organisatoren. Nach den Vorfällen konnten wir uns in den Block des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) einreihen. Der DGB vertritt eine klare Position für deutsch-israelische Beziehungen und gegen den Boykott von Israel. Aus dem angrenzenden Gesundheitsblock wurde uns mehrfach zu verstehen gegeben, Abstand zu halten, da man nicht mit Nationalfahnen in Verbindung gebracht werden wolle.†

Antisemitische Vorfälle gab es vereinzelt. Ein Teilnehmer fragte, warum wir die Fahne der Juden mitführten, obwohl diese in der Welt alles zerstören würden. Aus einem vorbeifahrenden Auto zeigte eine Person den „Wolfsgruß“ der türkisch-faschistischen Grauen Wölfe in unsere Richtung. Dieser Vorfall hat angesichts der Bündnispolitik von #unteilbar einen besonders bitteren Beigeschmack.Weiterhin wird #unteilbar von Organisationen unterstützt, die Verbindungen zu islamistischen und rechtsextremen Kreisen aufweisen. Das wurde bereits im Oktober 2018 öffentlich debattiert. Auch die DIG Leipzig hat sich im Vorfeld der Leipziger Demonstration ausführlich dazu geäußert. [2] Der umstrittene Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) ist weiterhin Erstunterzeichner von #unteilbar. Kürzlich trat der Bildungsbeauftragte von ATIB, dem größten Mitgliedsverband des ZMD, mit schwulenfeindlichen Äußerungen in Erscheinung. [3] ATIB weist in seiner Organisationsgeschichte Verbindungen zu den besagten Faschisten der Grauen Wölfe auf. Die Grauen Wölfe gelten als größte rechtsextreme Organisation in der Bundesrepublik.

Unsere Teilnahme war als Ermutigung gedacht, die Sichtbarkeit jüdischer und israelischer Symbole in Zeiten wachsenden Antisemitismus zu erhöhen, zumal Israelfeindlichkeit die häufigste Erscheinungsform des zeitgenössischen Antisemitismus ist. [4] Wenn im Bündnis Wert darauf gelegt wird, dass Israelfahnen keinen Platz bei #unteilbar haben, ist das nicht nachvollziehbar. Dass der Versuch, die Sichtbarkeit zu unterbinden, gescheitert ist, lag allein an den vielen Teilnehmern, die sich mit uns solidarisierten. Die Haltung des Bündnisses erweckte den Eindruck, dass die Positionierung von #unteilbar gegen Antisemitismus nur oberflächlich ist. Das allgegenwärtige Problem des israelbezogenen Antisemitismus wird offenbar ausgeblendet. Das ist eine Leerstelle, die der instrumentellen Israelsolidarität der AfD zusätzlichen Auftrieb verschafft. Es scheint trotz aller Hinweise unbegriffen zu sein, dass israelbezogener Antisemitismus sich in letzter Konsequenz gewaltvoll gegen Jüdinnen und Juden richtet. Ein allgemeines Verbot von Nationalflaggen muss an einer Einsicht in die Virulenz und Domianz des israelbezogenen Antisemitismus scheitern.

Die Deutsch-Israelische Gesellschaft ist davon überzeugt, dass es im Kampf gegen jeden Rechtsextremismus keine Indifferenz und keine doppelten Standards geben darf. Die Akzeptanz von Rechtsextremismus und Antisemitismus muss überall bekämpft werden, also auch innerhalb von #unteilbar.

[1] https://jfda.de/blog/2018/10/13/unteilbar-grossdemo-in-berlin/; https://www.mena-watch.com/mena-analysen-beitraege/redner-auf-unteilbar-demonstration-fordert-vernichtung-israels/
[2] https://dig-leipzig.de/2019/07/04/kein-schulterschluss-mit-islamismus/
[3] https://twitter.com/Volker_Beck/status/1147166116231438340
[4] https://dig-leipzig.de/2019/06/26/unteilbar-gegen-antisemitismus/ ; Vgl. Monika Schwarz-Friesel/Jehuda Reinharz. Die Sprache Der Judenfeindschaft Im 21. Jahrhundert. De Gruyter, 2013, S. 194-250; Vgl. Monika Schwarz-Friesel, Antisemitismus 2.0 und die Netzkultur des Hasses. https://www.linguistik.tu-berlin.de/fileadmin/fg72/Antisemitismus_2-0_kurz.pdf, S. 8 ff.