Gegen jeden Antisemitismus – Solidarität mit Israel! – Redebeitrag der Deutsch-Israelischen Gesellschaft

Gegenwärtig erlebt Israel den größten Gewaltausbruch seit dem Gaza-Krieg im Sommer 2014. In einem innerpalästinensischen Machtkampf profiliert sich die Hamas mit großflächigem Raketenterror gegen die israelische Zivilbevölkerung. Der Beschuss aus Gaza kostete etliche jüdische und arabische Israelis in den letzten Tagen das Leben. Zudem kam es zu zahlreichen zivilen Opfern im Gazastreifen, die die Hamas durch ihren Terror willentlich in Kauf nimmt. Ein Ende der Gewalt ist bislang leider nicht abzusehen. Wir bedauern alle zivilen Opfer. Zum Ende des muslimischen Fastenmonats Ramadan versteht es die Hamas, die komplexe Konfliktsituation in Jerusalem religiös und judenfeindlich aufzuladen. Inzwischen brennen jüdische Geschäfte und Synagogen innerhalb und außerhalb von Israel. Weltweit nutzen antisemitische Akteure die aktuelle Situation aus, um jüdische Gemeinden und Einzelpersonen unter dem Vorwand anzugreifen, mit der israelischen Politik nicht einverstanden zu sein – auch in Deutschland.

Schon Wochen bevor die islamistische Terrororganisation Hamas Israel mit über 2000 Raketen bombardierte, zeigte sich eine deutliche Zunahme antisemitischer Übergriffe in Israel. So versammelten sich unter anderem Gruppen von Jugendlichen, um gezielt Israelis, vor allem solche, die als Juden erkennbar waren, anzugreifen. Sie veröffentlichten und verbreiteten Videos dieser Übergriffe auf der Plattform TikTok, wo die physischen und psychischen Demütigungen zum Teil leidenschaftlich gefeiert wurden. Im Nachgang der jüngsten Geschehnisse in Israel kam es nun auch in Deutschland zu antisemitischen Ausschreitungen und Attacken: 

Am Montag wurde ein Feuer am Mahnmal für die ehemalige große Synagoge in Düsseldorf gelegt. Am selben Tag drohte ein Anrufer der liberalen jüdischen Gemeinde Hannover mit einem Brandanschlag. Am Dienstag verbrannten Personengruppen israelische Flaggen vor Synagogen in Münster und Bonn. Dort beschädigten sie außerdem die Eingangstüre der Synagoge mit Steinwürfen. Ebenfalls am Mittwoch versammelten sich ca. 200 Personen vor der Synagoge in Gelsenkirchen und skandierten antisemitische Sprechchöre. Zuletzt konnte man am Donnerstagabend in Halle auf einer Kundgebung mit dem Titel “Für Religionsfreiheit in Palästina und gegen Apartheid in Israel” antisemitische Sprechchöre und Ausrufe vernehmen. Unter dem Deckmantel vermeintlicher Israelkritik bricht sich Gewalt gegen Jüdinnen und Juden Bahn.

Der letzte große militärische Konflikt zwischen Israel und der Hamas liegt sieben Jahre zurück. Auch damals war der Raketenbeschuss massiv. Und auch damals wurden Jüdinnen und Juden und jüdische Institutionen in Deutschland angegriffen. Zwei junge Männer verübten einen Brandanschlag. Sie warfen Molotowcocktails auf eine Synagoge in Wuppertal. In der Verhandlung wollten die Richter und ich zitiere: „keine antisemitischen Gründe per se“ erkennen. Auf fatale Weise verkannten sie, dass es keinen Grund geben kann, Jüdinnen und Juden in Deutschland anzugreifen, weil Sie Jüdinnen und Juden sind, der nicht zuerst und einzig Antisemitismus ist. Sieben Jahre nach diesem Urteil, scheint sich nur wenig getan zu haben. Als die Demonstranten vor der Synagoge in Gelsenkirchen am Mittwoch „Scheiß Juden“ riefen, griff die Polizei nicht ein. Sie ordnete die Sprechchöre „Scheiß Juden“ als antiisraelisch ein. Erst auf Nachfrage des WDR waren sie in der Lage, den unübersehbaren Antisemitismus, der von der Ansammlung ausging, zu erkennen.

Zu verstehen, dass das Verantwortlichmachen von deutschen Jüdinnen und Juden für Konflikte in der MENA-Region nichts anderes sein kann als Antisemitismus, fällt vielen Institutionen scheinbar schwer. So taucht in der Statistik zu politisch motivierter Kriminalität zwar ein Themenfeld „Krisenherde/Bürgerkriege“ und dazu ein Unterthema „Israel“ bzw. „Palästina“ auf. Eine Verbindung zum Antisemitismus wird jedoch nicht hergestellt. Die Bekämpfung von Antisemitismus und die Hilfe für Betroffene kann aber nicht auf dem zivilgesellschaftlichen Engagement Einzelner, auf chronisch unterbezahlte und teilweise unqualifizierte Teamer in der politischen Bildung, oder auf den schulischen Kontext abgeschoben werden. Die Verantwortung, konsequent gegen Judenhass vorzugehen, liegt auch bei der Sächsischen Landesregierung. Am 11. November 2020 hat sie auf einer Kabinettssitzung beschlossen, dass es zukünftig auch in Sachsen eine Meldestelle für antisemitische Vorfälle geben soll. Wir fragen uns, was seitdem passiert ist. Wir möchten wissen, warum dazu keine weiteren Informationen kommuniziert wurden. Wir erwarten von der sächsischen Landesregierung die unverzügliche Einrichtung dieser Meldestelle. Sie wird dringend gebraucht!

Denn antisemitische Übergriffe sind auch in Sachsen keine Einzelfälle. Erst letzte Woche ereignete sich hier in Leipzig ein schwerwiegender antisemitischer Angriff auf eine junge Israelin. Die Polizei war viel zu spät vor Ort und zog, bevor sie ein zweites Mal eintreffen musste, zunächst unverrichteter Dinge wieder ab. Wir fordern: dieser Vorfall muss nachbereitet werden. Stadt und Behörden müssen alles Erdenkliche tun, um Jüdinnen und Juden in Leipzig vor antisemitischer Gewalt zu schützen.

Seit Jahren warnen Antisemitismusforscherinnen und -forscher vor dem israelbezogenen Antisemitismus, der heute die virulenteste Form des Antisemitismus darstellt. Seit den antisemitischen Demonstrationen in ganz Deutschland im Sommer 2014 hat sich jedoch kaum etwas in der Bekämpfung des israelbezogenen Antisemitismus getan – im Gegenteil.

Sowohl dem antisemitischen Raketenbeschuss der Hamas auf Israel als auch der antisemitischen Gewalt, die sich hier vor Ort entlädt, gilt es deutlich und entschieden entgegenzutreten. Wir fordern die Politik und Behörden deshalb auf, über symbolische Gesten hinaus, die Kontinuitäten des Antisemitismus in der Bundesrepublik in all seinen Erscheinungsformen endlich ernst zu nehmen und konsequent zu bekämpfen: denn israelbezogener Antisemitismus ist Antisemitismus! Dazu gehört, neben dem besseren Schutz jüdischer Einrichtungen und Einzelpersonen, auch eine klarere Haltung, wenn es um das Selbstverteidigungsrecht des jüdischen Staates gegen seine antisemitischen Angreifer geht. Den Bombenterror der Hamas mit den reaktiven Maßnahmen der israelischen Armee auf eine Stufe zu stellen, wie es jüngst auch einige Mandatsträgerinnen und Mandatsträgern wieder taten ist inakzeptabel. Eine konsequente Bekämpfung des Antisemitismus erfordert mehr denn je gerade jetzt die öffentliche Solidarität mit den von Antisemitismus Betroffenen – sowohl hier als auch in Israel.